Rechtliche Grundlagen kurz erklärt

Zwei Länder, ein Sorgerecht? Manchmal ist es gar nicht so einfach, herauszufinden, in welchem Fall welches Recht gilt.

Sie möchten sich als Elternteil mit den Rechtsvorschriften im internationalen Familienrecht auseinandersetzen? Oder es gehört für Sie als Fachkraft zur beruflichen Praxis grenzüberschreitende Konflikte um Fragen von Umgang und elterlicher Sorge rechtlich einzuordnen? Wir stellen die für den deutschen Kontext relevantesten internationalen Regelungen im Überblick vor.

Jeder Staat regelt in seinem internationalen Privatrecht (IPR), welches nationale Recht er anwendet, wenn ein Sachverhalt einen Auslandsbezug aufweist. Da in grenzüberschreitenden Fällen grundsätzlich zwei IPR-Systeme zur Anwendung kommen, die zu unterschiedlichen – sich gar widersprechenden –Ergebnissen führen können, wurden internationale Übereinkommen erarbeitet, die sich mit dem Schutz von Kindern in internationalen Zusammenhängen befassen.

Haager Kindesentführungsübereinkommen

Das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl. 1990 II S. 207), HKÜ

Das HKÜ gilt mittlerweile in über 100 Ländern der Welt und bietet die zivilrechtliche Grundlage für die Rückführung eines Kindes in den Ursprungsstaat nach einer Entführung.

Voraussetzung dafür ist, dass das HKÜ in beiden Staaten gilt, das Kind das 16. Le­bensjahr noch nicht vollendet hat und eine internationale Kindesentführung vorliegt – also ein widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten. Das ist dann der Fall, wenn eine Person – regelmäßig ein Elternteil – das Kind gegen den Willen des an­deren Elternteils ins Ausland verbringt oder sich weigert, das Kind (z.B. nach einem erlaubten Auslandsaufenthalt) in den Ursprungsstaat zurückzu­bringen, und dadurch das (Mit-)Sorgerecht der zurückgelassenen Person ver­letzt wird.

Einen Antrag auf Rückführung nach dem HKÜ können neben dem zurückgelassenen Elternteil in bestimmten Fällen auch andere Sorgeberechtigte, zum Beispiel ein Amtsvormund, stellen. Über den Antrag auf Rückführung entscheiden die Gerichte des Staates, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückbehalten wird. Er sollte spätestens vor Ablauf eines Jahres ab widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten des Kindes bei Gericht eingehen. Hilfestellung bei der Antragstellung leisten die nationalen Zentralen Behörden, in Deutschland das Bundesamt für Justiz.

Ein Rückführungsbeschluss ist keine Sorgerechtsent­scheidung. Durch die Rückführung soll lediglich die Entführung korrigiert und der bisherige Status wiederhergestellt werden. Damit bleibt die internationale Zu­ständigkeit der Gerichte am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts, also des Ursprungsstaats, erhalten. Das HKÜ geht ­von dem Grundsatz aus, dass eine Entfüh­rung im Sinne des Kindeswohls schnellstmöglich rückgängig zu machen ist und sieht daher als Regelfall die Rückführung vor.

Die Rückgabe des Kindes darf vom Gericht nur im Ausnahmefall abgelehnt werden, und zwar wenn eines der Rückführungshindernisse nach Art. 13 HKÜ vom entführenden Elternteil nachgewiesen werden kann. Das ist der Fall, wenn (1) der andere Elternteil der Verbringung ins Ausland zustimmt, (2) die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden wäre oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage gebracht werden würde oder (3) das Kind sich der Rückkehr widersetzt, sofern der Wille des Kindes nach Alter und Reifegrad beachtlich ist.

Im Entführungsstaat muss ein etwaig laufendes Sorgerechtsverfahren sofort ausgesetzt werden, wenn das dortige Familiengericht von einem Antrag auf Rückführung Kenntnis erlangt.

Weiterführende Hinweise finden sie hier.

Die Brüssel-IIb-Verordnung

Die Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung), Brüssel-IIb-VO

Zwischen den Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark gilt vorrangig die Brüssel-IIb-VO. Sie regelt die gerichtliche Zuständigkeit, Aner­kennung und Vollstreckung, sowie die internationale Zusammenarbeit in Fragen der elterlichen Verantwortung. Sie enthält zudem Vorschriften, die die Rück­führung nach dem HKÜ bei Kindesentführung und die Durchsetzung von Umgangsrechten vereinfachen sollen. Die Brüssel-IIb-VO beinhaltet auch die Pflicht zur Konsultation bei grenzüberschreitenden Unterbringungen.

Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Dabei geht es über die dauerhafte physische Anwe­senheit in einem Land hinaus um eine erkennbare Integration in ein soziales und familiäres Netz.

Besonders – und anders als in den Haager Über­einkommen – ist die Regelung der sogenannten Perpetuatio Fori: Zieht ein Kind während eines laufenden Verfahrens um, bleibt die Zuständigkeit des Gerichtes zunächst bestehen, bei dem das Verfahren begonnen wurde.

Entscheidungen über die elterliche Verantwortung werden auf Grundlage der Brüssel-IIb-VO in einem anderen Mitgliedstaat von Gesetzes we­gen anerkannt und sind vollstreckungsfähig, sodass statt eines Anerkennungsverfah­rens lediglich einer Bescheinigung bedarf.

Weiterführende Hinweise finden sie hier.

Das Haager Kinderschutzübereinkommen

Das Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (BGBl. 2009 II S. 602), KSÜ

Das KSÜ hat aktuell weltweit 57 Vertragsstaaten. Von seinem Schutzbereich umfasst sind alle Personen unter 18 Jahren – unabhängig von ihrer Staatsangehö­rigkeit.

Der Zweck des Übereinkommens ist es, Kon­flikte zwischen den Rechtssystemen auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung zu vermeiden.

Leitlinien sind dabei das Kindeswohl und der gewöhnliche Aufenthalt. So sind grundsätzlich die Behörden und Gerichte des Staates zuständig, in dem der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes begründet ist. Das KSÜ beinhaltet die Pflicht zur Konsultation bei grenzüberschreitenden Unterbringungen und verhält sich in Entführungssituationen zum HKÜ mit Regelungen zur Rückführung und zum Umgang ergänzend.

Hervorzuheben ist Art. 16 KSÜ, nach dessen Absatz 3 einmal entstandene gesetzliche elterliche Sorgerechtsverhältnisse durch Wechsel des gewöhn­lichen Aufenthaltes nicht mehr untergehen, sondern das Kind diese beim Wechsel seines gewöhnlichen Aufenthalts mitnimmt (sogenanntes Rucksackprinzip). Gemäß Art. 20 KSÜ gilt diese Regelung für alle Minderjährigen, nicht nur für solche aus Vertragsstaaten.

Weiterführende Hinweise finden Sie hier.

Das Europäische Sorgerechtsübereinkommen

Das Luxemburger Europäische Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (BGBl. 1990 II S. 220), ESÜ

Das Übereinkommen trat Deutschland 1991 in Kraft. Mittlerweile werden die darin festgelegten Regelungen über Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung sowie der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sorge- und Umgangsrechts weitestgehend von den oben genannten Übereinkommen abgedeckt. Auf das ESÜ wird lediglich selten in grenzüberschreitenden Fällen mit Nichtmitgliedsstaaten zurückgegriffen.

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