Umgangsrecht
Kinder haben das Recht auf regelmäßigen Umgang mit beiden Eltern. Umgekehrt haben beide Eltern grundsätzlich ein Recht auf – und die Pflicht zum – Umgang mit ihrem Kind. Umgang, das heißt regelmäßige persönliche Begegnungen sowie Kontakt per Brief und/oder Telefon. Eine gute Umgangsregelung kann einem Kind auch nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern das Gefühl geben, sich seiner Familie sicher sein zu können. Was Sie zum Umgangsrecht, das meist das Besuchsrecht einschließt, wissen müssen, wenn es über Ländergrenzen hinweg funktionieren soll.
Wem Umgang zusteht
Durch den Kontakt mit dem Elternteil, bei dem Ihr Kind nicht lebt, soll es erfahren, dass auch dieser Bezugsperson bleiben kann und sich um es sorgt. In der Regel haben nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) alle Eltern ein Umgangsrecht mit ihren Kindern – und diese mit ihnen. Dies wird nur eingeschränkt, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre. Auch Großeltern und Geschwister sowie weitere enge Bezugspersonen des Kindes, die tatsächliche Verantwortung für das Kind tragen oder getragen haben, können ein Recht auf Umgang haben.
Umgang mit Kindern über Landesgrenzen hinweg
Leben das Kind und der umgangsberechtigte Elternteil in verschiedenen Ländern, ist es häufig schwieriger, den Umgang so zu gestalten, dass er für alle funktioniert. Nach einem Umzug eines Elternteils in ein anderes Land, passt die zuvor praktizierte Regelung zum Umgangs- und Besuchsrecht vielleicht nicht mehr. Die in Deutschland weit verbreitete Regelung, sich jedes zweite Wochenende und wöchentlich einen Tag zu sehen, ist beispielsweise kaum möglich wie zuvor. Möglicherweise stellt ein Elternteil die bisherige Praxis auch in Frage.
Es müssen neue Absprachen getroffen werden. Telefonate oder der Kontakt per Skype, aber auch Besuche in Ferienzeiten und über Feiertage erlangen häufig eine größere Bedeutung.
Sie leben nicht (mehr) im selben Land wie Ihr Kind? An dem Recht, das Sie und Ihr Kind auf regelmäßigen Kontakt haben, ändert das grundsätzlich erst einmal nichts.
Möglichkeiten zur Klärung eines Umgangskonflikts
Was, wenn Sie sich als Eltern nicht einig über Fragen des Umgangsrechts sind? Streiten Sie angesichts der Landesgrenzen, die zwischen Ihnen liegen, darüber, wie der Umgang kindgerecht realisiert werden kann, gibt es ein weites Spektrum an Möglichkeiten, damit umzugehen.
Auch wenn ein Streit unlösbar und die Interessen zu gegenteilig scheinen, empfehlen wir Müttern, Vätern und anderen umgangsberechtigten Personen fast immer: Nutzen Sie weiter Beratung und ziehen Sie bei der Durchsetzung ihrer Umgangsrechte verschiedene außergerichtliche Methoden der Konfliktbeilegung für sich in Betracht.
Wie Sie angesichts eines Konflikts mit dem anderen Elternteil durchsetzen können, den Umgang mit Ihrem Kind auch über Landesgrenzen zu pflegen, lässt sich konkret nur im Einzelfall beantworten.
Es gibt keine pauschalen Lösungen. In unserer Beratung geht es daher oft darum, verschiedene Herangehensweisen zu benennen und Sie zu ermutigen, diese insbesondere in Bezug auf das Wohl und Interesse des betroffenen Kindes zu prüfen.
Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, können Sie sich als Eltern – einzeln oder gemeinsam – an das Jugendamt oder andere Familienberatungsstellen wenden. Hier werden Sie kostenfrei dabei unterstützt, eine Ihrer Situation angemessene Lösung auszuhandeln. Auch Eltern, die im Ausland leben, haben das Recht, diese Beratung in Anspruch zu nehmen.
Leben Sie selbst in Deutschland, Ihr Kind aber mit dem anderen Elternteil in einem anderen Land, können Sie sich an das Bundesamt für Justiz in seiner Funktion als Zentrale Behörde wenden.
Unterstützung und Informationen finden Sie darüber hinaus in der ZAnK-Beratung.
Wenn Sie sich um eine Einigung zu Fragen rund um das Umgangsrecht mit dem anderen Elternteil außergerichtlich bemühen, muss das nicht heißen, dass Sie beim Aushandeln einer passbaren Lösung auf sich allein gestellt sind. Vielleicht können Sie Vertraute oder auch unabhängige Dritte um Hilfe bitten? In manchen Familien ist es genau das richtige, weitere Familienangehörige in die Lösungsfindung einzubeziehen. In anderen Familien ist die Unterstützung durch eine Mediatorin oder einen Mediator genau, was es braucht, um einer Vereinbarung wieder näher zu kommen.
Auch Familiengerichte sind angehalten, vorrangig eine gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung zu fördern, bevor ein Umgangsbeschluss erlassen wird.
Wie eine Klärung eines grenzüberschreitenden Konflikts um das Umgangsrecht vor Gericht in die Wege geleitet werden kann, ist von mehreren Faktoren abhängig:
- ob es darum geht, einen vorliegenden Gerichtsbeschluss anerkennen und durchsetzen zu lassen oder aber eine Neuregelung gefragt ist;
- in welchem Land das Kind lebt;
- in welchem Land der Elternteil lebt, der das Umgangsrecht erwirken möchte;
- welche internationalen Übereinkommen und Regelungen zwischen den beteiligten Ländern gültig sind.
Der letztgenannte Punkt ist von Bedeutung, da in Deutschland neben europäischen Rechtsvorschriften mehrere internationale Übereinkommen eine Rolle spielen, die zur Beilegung grenzüberschreitender Konflikte in Familien Regelungen vorsehen.
Neuregelung des Umgangs im Ausland auf Basis des Haager Kindesentführungsübereinkommens
Leben Sie als Elternteil in Deutschland und möchten den Umgangskontakt zu Ihrem in einem anderen Land lebenden Kind regeln lassen, steht Ihnen grundsätzlich ein Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen offen. Voraussetzung ist, dass das Land, in dem sich Ihr Kind aufhält, ebenfalls Vertragsstaat ist. Sie stellen den Antrag beim Bundesamt für Justiz. Als Zentrale Behörde im Sinne des Übereinkommens für Deutschland übermittelt das Bundesamt Ihr Anliegen an die jeweilige ausländische Zentrale Behörde; infolgedessen können dortige Gerichte oder Behörden dann das Recht auf Umgang feststellen.
Leben Sie als Elternteil in einem anderen Vertragsstaat und möchten den Umgang oder Ihr Besuchsrecht mit Ihrem in Deutschland lebenden Kind regeln lassen, dann wenden Sie sich andersherum an die Zentrale Behörde in Ihrem Land. Auch das Bundesamt für Justiz bietet an, im Namen einer antragstellenden Person ein Verfahren vor dem zuständigen deutschen Gericht einzuleiten.
Das Haager Kindesentführungsübereinkommen macht es also möglich, dass ein Elternteil jederzeit in einem der Vertragsstaaten auf die Regelung des Umgangs klagen kann.
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Unterstützung der Zentralen Behörden und Gerichte in Umgangsgesuchen aufgrund unterschiedlicher Rechtsauffassungen landesspezifisch stark variieren kann. Das Bundesamt für Justiz betont: viele andere Vertragsstaaten würden nach dieser Vorschrift ausschließlich Fälle unterstützen, in denen der Umgangskontakt im Anschluss an eine Entführung etabliert werden soll.
Durchsetzung einer Entscheidung zum Umgangsrecht im Ausland
Gibt es bereits eine gerichtliche Umgangsrechtsentscheidung, die dort, wo Ihr Kind lebt, durchgesetzt werden soll, rücken andere – je nach Situation verschiedene – Rechtsgrundlagen in den Fokus. Im Einzelfall sind das die Brüssel-IIa-Verordnung der Europäischen Union, das Haager Kinderschutzübereinkommen, das Europäische Sorgerechtsübereinkommen oder nationales Recht.
Grenzüberschreitende Anerkennung
Innerhalb der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) ist eine Gerichtsentscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht aus einem Mitgliedsstaat in allen anderen kraft Gesetzes anerkannt. Dieser Grundsatz gilt ebenfalls zwischen den Vertragsstaaten des Haager Kinderschutzübereinkommens.
Jedoch benennen sowohl die europäische Verordnung als auch das Übereinkommen Gründe, wegen derer eine Anerkennung verweigert werden kann – und diese werden von jeder Stelle, die eine ausländische Entscheidung vorliegen hat, für den Einzelfall erneut geprüft. Dem entgegen wirken können Sie, indem Sie die Anerkennung einer Entscheidung gerichtlich bindend feststellen lassen, gegebenenfalls über eine Anwältin oder einen Anwalt. Zu beantragen ist dies entweder direkt in dem Land, das eine Entscheidung anerkennen soll, oder beim Bundesamt für Justiz beziehungsweise bei der Zentralen Behörde des anderen Lands.
Das letztgenannte Vorgehen ist ebenfalls im Verhältnis zu Dänemark, Island, Liechtenstein, zur ehemaligen jugoslawischen Republik Nordmazedonien, zu Moldau, Montenegro, Norwegen, der Schweiz, Serbien, der Türkei und der Ukraine möglich. Die rechtliche Grundlage liegt dann im Europäischen Sorgerechtsübereinkommen.
Geht es um die Anerkennung einer ausländischen Gerichtsentscheidung in Deutschland und diese stammt aus einem Land, in dem die genannten internationalen Vorschriften nicht gelten, können Sie beantragen, dass die Entscheidung zum Umgangsrecht nach nationalem Recht anerkannt wird.
Vollstreckung ausländischer Entscheidungen zum Umgangsrecht
Die Möglichkeiten ausländischer Zentraler Behörden, bei der Vollstreckung von Umgangsrechtsentscheidungen Unterstützung zu leisten, sind meist eher gering. Welche Handhabe es in einzelnen Ländern gibt, eine durch eine Konfliktpartei nicht befolgte Umgangsregel tatsächlich unter Zwang durchzusetzen, unterscheidet sich teils ebenfalls stark. Wie ist aber das Vorgehen generell?
Wenn Sie als Eltern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) leben:
- Die Brüssel-II-a-Verordnung legt fest, dass eine in einem Mitgliedstaat erlassene Umgangsentscheidung in einem anderen anerkannt wird und wie eine inländische Entscheidung vollstreckt werden kann.
- Hierfür muss die zugrundeliegende Entscheidung bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
- Sind diese nicht erfüllt und kommt daher keine unmittelbare Vollstreckbarkeit in Frage, kann ein „Vollstreckbarerklärungsverfahren“ in die Wege geleitet werden. Dieses findet unter Zuhilfenahme einer örtlichen Rechtsanwältin / eines Rechtsanwalts in dem Land statt, in dem das Umgangsrecht vollstreckt werden soll.
- Die Zentrale Behörden beraten Elternteile, die eine Anerkennung/Vollstreckung bewirken wollen.
Wenn Sie als Elternteile je in Deutschland und in einem weiteren Vertragsstaat des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens oder des Haager Kinderschutzübereinkommens leben:
- Auch das Europäische Sorgerechtsübereinkommen und das Haager Kinderschutzübereinkommen ermöglichen neben der Anerkennung die Vollstreckung von Umgangsentscheidungen im Ausland.
- Seit der EU-Verordnung „Brüssel II-a“ ist dies aus deutscher Sicht allerdings ausschließlich im Verhältnis zu einer Reihe einzelner Staaten von Bedeutung.
Diese Vertragsstaaten sind …
- für das Europäische Sorgerechtsübereinkommen: Dänemark, Island, Liechtenstein, die ehemalige jugoslawische Republik Nordmazedonien, Moldau, Montenegro, Norwegen, Schweiz, Serbien, die Türkei und Ukraine;
- für das Haager Kinderschutzübereinkommen: Dänemark, Montenegro, Norwegen, die Schweiz, Serbien, die Türkei und die Ukraine (Stand: 2021).
- Für den Fall, dass sich ein Elternteil nicht an eine Entscheidung zum Umgangsrecht hält, ist die oben beschriebene Beantragung der „Vollstreckbarerklärung“ in diesen Staaten auf Grundlage des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens oder des Haager Kinderschutzübereinkommens möglich. Worin sich die Regelungen im Detail unterscheiden, erläutern wir Ihnen gerne im Gespräch.
- Das Europäische Sorgerechtsübereinkommen und das Haager Kinderschutzübereinkommen verdrängen sich gegenseitig nicht, sie können in der Regel nebeneinander zur Anwendung kommen.
- Eine Besonderheit des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens: Sollte die Anerkennung beziehungsweise die Vollstreckbarerklärung einer Umgangsrechtsentscheidung in einem Vertragsstaat verweigert worden sein, kann die Zentrale Behörde dieses Staates ein Verfahren mit dem Ziel einer Neuregelung einleiten. Das gilt auch, falls bisher keine gerichtliche Entscheidung zum Umgangsrecht vorliegt.
Für weiterführende Informationen und eine Einordnung Ihrer individuellen Situation vor dem Hintergrund der relevanten (inter-)nationalen Rechtsvorschriften, nehmen Sie unsere Beratung in Anspruch.