Ich habe Angst vor einer Kindesentführung durch den anderen Elternteil

„Wenn Du mich verlässt, siehst Du das Kind nie wieder“. Sätze wie dieser können es sein, ausgesprochen in einem Streit, die im Prozess einer Trennung die Angst aufkommen lassen, der andere Elternteil plane eine Kindesentführung in ein anderes Land. Die Angst wird angefacht, wenn er mit der Tochter oder dem Sohn in den Urlaub fahren möchte oder wenn ein Kind nach dem gemeinsamen Wochenende nicht zur vereinbarten Zeit nach Hause gebracht wird. Manchmal ist aber auch nicht konkret gedroht worden – und dennoch fürchten Sie, Ihr Ex-Partner / Ihre Ex-Partnerin könnte mit dem Kind verschwinden?

Ist meine Angst vor Kindesentführung berechtigt?

Sie leben in Deutschland und befürchten, Ihr Ex-Partner / Ihre Ex-Partnerin wolle Ihr Kind ins Ausland mitnehmen oder dort behalten? Sie leben in einem anderen Land und befürchten, der Vater oder die Mutter könne gegen Ihren Willen mit Ihrem Kind nach Deutschland ziehen?

Ob die Angst vor einer Kindesentführung oder Kindesmitnahme begründet ist oder nicht, lässt sich oft nicht eindeutig sagen. Manchmal ist die Angst größer als die tatsächliche Gefahr, manchmal nicht. Manchmal nimmt die Angst ab, wenn nach einer Trennung Normalität einkehrt oder sobald Konflikte zwischen den Eltern als (ehemaliges) Paar gelöst werden können. Als Warnsignal sollte Angst aber grundsätzlich immer aufmerksam machen. Wir und unser Netzwerk nehmen Sie mit Ihrer Angst ernst.

Tatsache ist, jede Situation ist anders. Sei es durch eine binationale oder bikulturelle Beziehung, durch eine gemeinsame Herkunft oder durch neue Partner – bestehen Bezüge in ein anderes Land, gehört die Furcht vor einer Kindesentführung aus oder nach Deutschland in schwerwiegenden Konflikten ums Kind nicht selten zur Krise dazu.

Nur die ganz konkreten Gegebenheiten können vorgeben, ob und welche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden sollten, um eine Kindesentführung verhindern zu können. Sie können das Verhalten des anderen Elternteils mit am besten einordnen und kennen die genauen Umstände. Wir hören Ihnen zu, erörtern mit Ihnen die bestehenden Möglichkeiten und versuchen so, Sie dabei zu unterstützen, die aus Ihrer Sicht erforderlichen Schritte zu tun.

Es hilft, gemeinsam mit Dritten zu überlegen, wann eine bestimmte Maßnahme geeignet ist, und wann sie einen Konflikt eher weiter verschärfen würde. Kontaktieren Sie uns!

Wie Kindesentführung vorbeugen?

Die beste Prävention, um eine Eskalation des Familienkonflikts zu verhindern, ist in jedem Fall, wenn es Ihnen als Eltern gelingt, trotz Ihrer Enttäuschung auch während und nach einer Trennung oder Scheidung gemeinsam Eltern zu bleiben. Doch wenn Sie sich aktuell in der Situation befinden, eine Entführung Ihres Kindes zu befürchten, hat diese gemeinsame Basis zumindest meist bereits Brüche. Was können Sie also konkret tun, um Ihrer Angst zu begegnen und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen?

Was sind die konkreten Anhaltspunkte, die auf eine geplante Kindesentführung hinweisen?

  • Wie heftig ist ihr Streit, wie zerrüttet ihr Verhältnis? Können Sie dem anderen Elternteil bedingt durch vergangene Erfahrungen nicht mehr vertrauen?
  • Befürchten Sie den Einfluss der Familie des anderen Elternteils? Hat Ihre eigene Familie, haben Freunde erst Ihre Sorgen um eine Kindesentführung ausgelöst?
  • Stereotype Bilder und Vorurteile können Ängste über eine Kindesmitnahme gegen Ihren Willen verstärken – meist hilft es bei der Einordnung der eigenen Befürchtungen, sich dieser bewusst zu werden.
  • Hat der Vater oder die Mutter Ihres gemeinsamen Kindes angedeutet oder damit gedroht, mit ihm ins Ausland zu gehen oder es dort zu behalten?
  • Gibt es Berichte des Kindes über beängstigende Äußerungen oder verdächtiges Verhalten des anderen Elternteils?
  • Was hat der andere Elternteil für einen Bezug zu dem Land, in dem Sie aktuell als Familie leben? War es eigentlich nur die Familie, die Beziehung, die eine Verbindung hergestellt hat? Wie ist die berufliche Situation, wie sind die sozialen Kontakte, die finanzielle Situation des anderen Elternteils am aktuellen Wohnort?
  • Wurde der Wunsch, in ein anderes Land zurück zu kehren oder umzuziehen, konkret geäußert? Hat der andere Elternteil bereits etwas in diese Richtung unternommen (Kündigung, Umzugsvorbereitungen, etc.)?
  • Haben Sie die Möglichkeit, die Ausweispapiere Ihres Kindes sicher aufzubewahren? Besitzt Ihr Kind eine Doppelstaatsbürgerschaft oder dieselbe Staatsbürgerschaft wie der andere Elternteil?

Bleiben Sie miteinander in Kontakt. Je nachdem, wie sich die konkreten Anhaltspunkte darstellen, kann es auch eine Möglichkeit sein, Ihre Ängste vor einer Kindesentführung, gegebenenfalls mit Hilfe Dritter (Freunde, Verwandte, Fachpersonen), im Gespräch miteinander zu äußern. Sie könnten feststellen, dass Sie ganz ähnliche Befürchtungen haben. 

Fragen Sie sich gemeinsam, welche Punkte angegangen werden könnten, damit Sie beide in die Lage versetzt werden, das Wohl Ihres Kindes als Eltern zu gewährleisten.

Oft ist es förderlich zu versuchen, mit dem anderen Elternteil eine neue Umgangsregelung zu vereinbaren. Könnte eine großzügige Vereinbarung, die regelmäßig und häufigen Kontakt des Kindes mit beiden Elternteilen vorsieht, Verlustängsten entgegentreten? Wenn Ihr Kind bei Ihnen lebt, beteiligen Sie Ihre Ex-Partnerin / Ihren Ex-Partner an wesentlichen Entscheidungen. Vermitteln Sie Zuversicht darüber, dass die Trennung – und selbst eine mögliche große räumliche Entfernung – nicht bedeuten muss, dass der Kontakt mit dem Kind abbricht.

Wir stellen Ihnen gern weitere Informationen zu Wegen einvernehmlicher Konfliktlösung zur Verfügung.

Ihrer Angst vor einer Kindesentführung ist häusliche Gewalt vorangegangen? Holen Sie sich Hilfe.

  • Von Gewalt betroffenen Frauen bietet das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter 08000 116 016 und online auf www.hilfetelefon.de kostenlos, anonym und in vielen Sprachen rund um die Uhr Beratung und Unterstützung an.
  • Männliche Gewaltopfer erreichen unter 0800 123 9900 ein Hilfetelefon sowie eine Onlineberatung auf www.maennerhilfetelefon.de.

Vor den Mitarbeitenden des für Sie zuständigen Jugendamts oder in Familienberatungsstellen können Sie Ihre Befürchtungen äußern und überlegen, wie Sie weiter vorgehen. Als Außenstehende wird die Fachkraft ihre Einschätzung der Situation mit Ihnen teilen und dabei auf Erfahrungen aus der Beratungspraxis zurückgreifen.

Mit Ihrem Einverständnis, kann auch ein Gespräch mit Ihrem Partner / Ihrer Partnerin angedacht werden. Hier kann die Fachkraft, ihrerseits den Sachverhalt klären und sich einen eigenen Eindruck machen. Möglicherweise kann auch ein gemeinsames Gespräch stattfinden, in dem Sie als Eltern unterstützt werden, Vereinbarungen zu treffen.

Finden Sie örtliche Ansprechpartner in unserem Adressverzeichnis.

Sie wünschen sich, dass Ihr Kind den anderen Elternteil nur im Beisein eines Dritten sehen darf? Ein solcher begleiteter Umgang kann beispielsweise beim Jugendamt freiwillig vereinbart oder – bei fehlendem Einverständnis – durch ein Gericht bestimmt werden. Begleiteter Umgang ist in der Regel zeitlich begrenzt und hat als Zwischenlösung immer den unbegleiteten Umgang zum Ziel.

Manchmal ist der begleitete Umgang sehr sinnvoll, um Kontakt mit dem Kind überhaupt zu ermöglichen. Die Beantragung will jedoch gut überlegt sein, weil er einen Konflikt weiter verschärfen und auch Ihr Kind unnötig in Mitleidenschaft ziehen kann.

Weitere Informationen zum Recht auf Umgang.

Wenn Sie (gegebenenfalls nach fachlicher Beratung durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oder Sozialarbeitende) zu dem Schluss kommen, dass die gemeinsame elterliche Sorge oder auch das aktuelle Besuchsrecht zu einem zu großen Risiko geworden ist, müssen Sie möglicherweise vor Gericht gehen. 

Dort können Sie, gegebenenfalls mit Hilfe einer Rechtsvertretung, beantragen:

  • die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge;
  • die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich oder das Jugendamt;
  • das Verbot, ohne Zustimmung des Gerichts mit dem Kind den Aufenthaltsort zu wechseln;
  • die Hinterlegung des Reisepasses des Kindes beim Jugendamt;
  • die Grenzsperre (durch Ausschreibung einer Grenzfahndung im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten).

Zudem kann sich eine Gerichtsentscheidung direkt auf den Umgang beziehen, wenn Sie beantragen, dass…

  • der andere Elternteil verpflichtet wird, sich während des Umgangs regelmäßig mit dem Kind bei einer zuständigen Stelle zu melden (beispielsweise bei einer örtlichen Dienststelle der Polizei oder bei der öffentlichen Jugendhilfe);
  • der Umgang ausschließlich begleitet stattfindet (siehe oben).

Je nach beteiligten Staaten ist dort möglicherweise die Anordnung weiterer Vorsichtsmaßnahmen üblicher; zum Beispiel das Hinterlegen einer Geldsumme als Sicherheit während des Umgangs. Ebenfalls denkbar sind sogenannte „Mirror-orders“, das heißt die Beantragung gleichlautender Umgangsrechtsentscheidungen in beiden Staaten, oder aber Bemühungen um die Anerkennung eines bereits vorliegenden Beschlusses aus einem Land. 

Hier können Sie mehr zu Gerichtsverfahren bei Konflikten ums Kind erfahren.

Gerichtliche Lösungswege werden von den Involvierten einerseits oft als unvermeidbar und als Beitrag zu (rechtlicher) Klarheit wahrgenommen. Einerseits vermögen sie teils, den weiteren sicheren Kontakt zwischen Ihrem Kind mit beiden Elternteilen erst zu ermöglichen. Andererseits können auch gerichtlich autorisierte vorbeugende Maßnahmen nicht immer eine Kindesentführung verhindern, garantieren keine vollständige Sicherheit und gehen nicht selten mit einer weiteren Eskalation des Elternkonflikts einher. 

Bevor Sie alleine abwägen, was Sie tun können und sollten, lohnt es sich, die Unterstützung von Fachpersonen (zum Beispiel Sozialarbeitende, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Mediatorinnen oder Mediatoren) in Anspruch zu nehmen.

Sie möchten eine Kindesentführung verhindern, die gerade stattfindet oder unmittelbar bevorstehen könnte? Im ersten Schritt sollten Sie die Polizei informieren und können möglicherweise die Ausschreibung einer Grenzfahndung beantragen. Lesen Sie hier weiter.

Was kann ich für unser Kind tun?

Wie viele Eltern in Ihrer Situation fragen Sie sich sicherlich, was Ihre Befürchtungen und gegebenenfalls eingeleitete Vorsichtsmaßnahmen mit Ihrem Kind machen. Während die tatsächlichen Auswirkungen von vielerlei Faktoren abhängen – dem Alter des Kindes, bei wem es wohnt, ob die Trennung bereits vollzogen ist, ob an einer bestehenden Umgangsregelung festgehalten wird, sind in unserer Erfahrung folgende Punkte zu beachten.

  • Setzen Sie sich dafür ein, dass sich die Verständigung zwischen Ihnen als Eltern über das Wohl und die Interessen Ihres Kindes wiedereinstellen kann.
  • Bemühen Sie sich, Ihre Angst vor einer Entführung und Ihr damit verbundenes Misstrauen nicht zu übertragen auf Ihr Kind.
  • Wenn Ihre Tochter oder Ihr Sohn bei Ihnen lebt: Lassen Sie den regelmäßigen Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu – Ihr Kind hat ein Recht auf Umgang (möglicherweise unter Vorsichtsmaßnahmen, siehe oben).
  • Wägen Sie ab, ob es hilfreich ist, mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn über Ihre Angst zu sprechen. Je nach Alter und Reifegrad kann ein Kind mit der Information umgehen, wachsam sein und so sich selbst schützen. In diesem Zusammenhang kann es außerdem sinnvoll sein, andere Bezugspersonen Ihres Kindes einzubinden, zum Beispiel in Kita, Schule oder Hort, damit diese zum einen selbst aufmerksam sind, aber auch Ihr Kind gezielt unterstützen können. Auch das kann dazu beitragen, eine Kindesentführung verhindern zu können.

Für Fachkräfte: Hinweise für die Beratung

  • Es bleibt trotz aller praktisch und rechtlich möglichen Maßnahmen sehr schwierig, eine befürchtete Kindesentführung durch einen Elternteil ins Ausland zu verhindern.
  • Als beratende Fachkraft arbeiten Sie im Bündnis mit der betroffenen Familie darauf hin, möglichst alle Risiken zu minimieren.
  • Sollte der Eindruck entstehen, ein Verbringen des Kindes ins Ausland steht kurz bevor, geht es zudem um schnelles Handeln.
  • Überprüfen Sie im Rahmen der Sachverhaltsklärung, inwieweit familienrechtliche Regelungen des anderen betroffenen Landes Einfluss auf die Ausgangssituation der Ratsuchenden haben und welche internationalen Vorschriften gelten.

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